Gringos forever

“De dónde son?” (“Woher seid ihr?”). Wenn wir auf der Strasse oder auf anderen oeffentlichen Plaetzen im ganzen Land angesprochen werden (was fast schon nervend oft der Fall ist), ist dies die haeufigste Frage, die uns gestellt wird. Jedoch faellt es uns von Tag zu Tag leichter, nicht mit „Austria“, sondern „Ambato“ zu antworten. Was darauf folgt, ist zunaechst ein verdutzter Blick, der eine Erklaerung verlangt. Diese Erklaerung ist schon laengst im Arbeitsspeicher einprogrammiert. Denn wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass man uns hier als Touristen sieht.

 

Aber was sind wir, wenn keine Touristen? A ver.. Das Gringo-Image (Als Gringos werden hier schon lange nicht mehr nur US-Amerikaner, sondern grundsaetzlich alle nicht-spanisch-sprechenden Auslaender bezeichnet) werden wir wohl kaum wegbekommen. Dazu sehen wir alle drei zu europaeisch aus. Zudem ist dieses Image weniger stoerend als angenehm. Man ist so etwas wie das Objekt der Begierde, wenn man auf der Strasse spaziert, alle Blicke auf einen gerichtet sind und immer wieder Menschen vorbeikommen, die ein Foto mit einem machen moechten. Aber was wir jedes Mal untermauern werden: „No somos turistas!“ („Wir sind keine Touristen!“)

 

Warum? Die meisten Touristen sehen wahrscheinlich eher das, was die Reiseprospekte dieses wunderschoenen Landes zeigen. Paradiesische Pazifikstraende, gigantische Berglandschaften und abenteuerliche Regenwaldrouten. Dies alles koennen wir natuerlich auch bewundern, aber der Unterschied ist, dass wir, als Volontaere in einem Strassenkinderprojekt, auch hinter die Kulissen blicken koennen. Das zweitaermste Land Suedamerikas ist kein Paradies fuer 50% der Bevoelkerung, die unter der Armutsgrenze leben. Es ist kein Paradies fuer Kinder, die von ihren Eltern misshandelt werden, unter aermsten Verhaeltnissen aufwachsen und/oder keine Chance auf Bildung und Entwicklung haben. Es ist kein Paradies fuer die Leute, die Tag fuer Tag mit kleinen Verkaeufen auf der Strasse oder in Ueberlandbussen darum kaempfen, ueber die Runden zu kommen.

 

Hinsichtlich dessen wird das naechste Wochenende fuer uns besonders spannend, wenn auch nicht einfach. Am Freitag faehrt jeder von uns mit jeweils einem Kind zu dessen Familie nach Hause, um die familiaeren Hintergruende der Kinder besser kennenzulernen. Wir leben dort ein ganzes Wochenende und kommen dann gemeinsam mit den Kindern am Sonntag wieder zurueck ins Projekt. Diese Familienbesuche sind ein Teil unserer Arbeit und wir werden voraussichtlich ca. einmal pro Monat zu einer Familie geschickt und schreiben danach Berichte ueber die Umstaende, wie die Kinder leben und wie sich das Verhaeltnis zu den Erziehungsberechtigten entwickelt. Ich werde mit Mario, einem der schwierigeren Kinder, zu dessen Erziehungsberechtigten nach Puyo, einer Stadt im Regenwald, fahren. Nun bin ich schon wahnsinnig gespannt, was mich dort erwartet. Hinzu kommt der positive Nebeneffekt, endlich ins Regenwaldgebiet zu kommen.

 

Dort, in den besonders armen Gebieten, sind wir wahrscheinlich noch seltenere Objekte der Begierde. Wir werden in diesem Jahr wohl oder uebel Gringos bleiben, auch wenn wir uns noch so sehr ins Zeug legen, uns die Kultur einzuimpfen und die Sprache zu perfektionieren. Zudem werden wir fuer die meisten hier immer Australier bleiben. Unser kleines Schmuckstueck namens Oesterreich („Austria“) ist dem Grossteil hier unbekannt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Andrea (Donnerstag, 18 Oktober 2012 22:09)

    Hallo Mani !
    Hab jetzt alle blogs auf einmal gelesen . Danke für die Einblicke , bringt einen wieder mal zum nachdenken. Alles Gute für dein Wochenende im Regenwald.
    Ganz liebe Grüße von Andrea, Eduard, Melissa und Viola !