Alltag

Das Jahr ist noch jung, aber der Alltag im Projekt ist nun doch schon wieder eingekehrt. Mit all seinen positiven und negativen Seiten..


Im Moment werden gerade einige Familienrückführungsaktionen angetrieben. Obwohl der Großteil dieser sinnvoll ist und auch zu funktionieren scheint, möchte ich doch ein Beispiel hervorheben, das uns volos ziemlich frustriert.Es geht um den 12-jährigen Richard, einen überaus intelligenten Jugendlichen mit hervorragenden Talenten, die er allerdings gerade nicht unbedingt in der Schule beweisen kann. Sofort, nachdem klar wurde, dass er auf gut deutsch sitzen bleiben wird, wurde scheinbar nicht einmal mit der Wimper gezuckt, und er wurde sofort zu seiner Mutter nach Puyo im Regenwald geschickt, wo es ihm nach seinen Erzählungen alles andere als gut geht, um dort arbeiten zu beginnen. Nicht einmal ein gebührender Abschied wurde ihm geschenkt, denn schließlich hatte er als einer der Beliebtesten überhaupt nur etwa 5 Minuten Zeit, um sich mit Tränen in den Augen nur bei den Vormittagskindern und - mit mir - nur einem Volo zu verabschieden. Dies sind schon Aktionen, die wir sehr hinterfragen, aber leider doch vorkommen. Einen 12-Jährigen intelligenten Burschen arbeiten zu schicken, nur weil er gerade anderes im Kopf hat als die Schule (was bei pubertierenden Kindern wohl auf der ganzen Welt vorkommt), sollte nicht unbedingt das Ziel einer Fundacion wie der unseren sein. Aber nachdem wir Volos darauf beharrt haben, hat uns die Psychologin versichert, dass man versucht, ihn im nächsten Jahr wieder in die Schule zu schicken, was uns nun doch wieder ein besseres Gefühl gibt. Und nun sieht es auch schon wieder so aus, als würde er zurückkommen, weil er sich, wie wir schon geahnt hatten, absolut nicht wohlfühlt in seinem Domizil.


Sieht also alles doch wieder besser aus, aber ein übler Nachgeschmack bleibt doch, denn so viel Gutes das Projekt auch für die Kinder leistet, gibt es doch immer wieder Entscheidungen, die wir überhaupt nicht verstehen können und die uns - wie in diesem Fall - echt tief treffen.


Eine weitere Geschichte der vergangenen Woche ist die des 10-jährigen Franklin. Am Mittwoch wurde der Großteil der Kinder nach Hause geschickt, weil es kein Wasser gegeben hat. (is übrigens gar ned so schlimm, wenn ma si mal mit am Kübel kaltem Wasser vom Notspeicher "duschen" muss ;) )Auch Franklin sollte nach Hause geschickt werden. Als er am Abend von der Schule heimkam, und sein Vater ihn abholen kam, wollte ich nur noch schnell seine Sachen holen, als er plötzlich den Kopf senkte und zu weinen begann, begann ich mit ihm zu sprechen. Er erzählte mir, dass er nicht heim wollte, da er dort sowieso nur schlecht behandelt würde. Details wollte er mir nicht sagen. In der Folge kamen Stiefmutter und Großmutter vorbei und im Endeffekt gingen alle drei (Vater, Stiefmutter und Großmutter) verbal auf ihn los, was sie nicht alles an ihm störte, und danach sprachen sie auch mit der Madre, die ich in diesem Moment echt bewunderte. Mit lauter Stimme verteidigte sie den armen Burschen und begann den drei Anklägern eine Lektion zu erteilen und drohte ihnen mit dem Jugendgerichtshof. Schlussendlich durfte er auch über das Wochenende hier bleiben.Es hat mich echt tief getroffen, dass Eltern so kalt mit ihrem Kind umgehen können und mir wurde wieder einmal bewusst, in welchem Paradies ich selbst aufgewachsen bin. Zudem erkannte ich einmal mehr, dass die Madres trotz ihrer teilweise echt harten Hand im richtigen Moment doch Herz für die Kinder beweisen, weswegen sie auch so beliebt bei ihnen sind.


Obwohl man sich an diese harten Schicksale immer mehr gewöhnt, treffen sie einen mit der Zeit doch nicht weniger. Doch man lernt damit umzugehen. Das, was wir in diesen Situationen machen können, ist, den Kindern die Zuneigung zu geben, die sie im Elternhaus offensichtlich nicht erhalten haben. Und wenn man dann so etwas wie "so einen Papa wie dich hätte ich mir gewünscht" hört, dann weiß man, dass man seine Arbeit gut macht und nicht umsonst hier ist. Das gibt mir die Energie, trotz der vielen Rückschläge mit Motivation und Selbstbewusstsein weiterzumachen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Oskar (Dienstag, 29 Januar 2013 14:48)

    Lieber Mani,
    eines der härtesten Dinge bei diesem Job ist es, dass wir oft nicht selbst bestimmen können was das beste für die Kinder und Jugendlichen ist. Da entweder das Jugendamt, Eltern oder auch die Kinder selber entscheiden. Wir können diese Entscheidungen nur tragen und mittragen ob wir wollen oder nicht - auch wenn wir wissen würden was das Beste für das jeweilige Kind ist. Besonders wichtig ist es sich an den kleinen Dingen im Alltag seine Motivation und Selbstbestätigung zu holen - wie bei einem Kinderlachen - bei einer guten Note bei der man mitgeholfen hat - usw. Sehen wir nur das ganze können wir nur verzweifeln da unsere Anstrengung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
    lg